Kann er noch zaubern? 11FREUNDE

Fr einen Abend schien es, als knnte doch noch alles gut werden. Oder zumindest wieder etwas besser. Es war der 22.10.2018, Mesut zil traf mit Arsenal in der Premier League auf Leicester City, und es war eines der Spiele mit seiner Beteiligung, in denen nicht 22 Fuballer auf dem Platz standen, sondern 21 und ein

Für einen Abend schien es, als könnte doch noch alles gut werden. Oder zumin­dest wieder etwas besser. Es war der 22.10.2018, Mesut Özil traf mit Arsenal in der Pre­mier League auf Lei­cester City, und es war eines der Spiele mit seiner Betei­li­gung, in denen nicht 22 Fuß­baller auf dem Platz standen, son­dern 21 und ein Zau­berer. Özils Pässe waren wie Schlüssel für ver­steckte Türen, Özil öff­nete damit Räume, von denen nie­mand sonst wusste, dass sie exis­tierten. Er dik­tierte das Tempo der Partie nach Belieben, mit dieser ihm eigenen Unauf­dring­lich­keit, leise und leicht­füßig, dabei aber unbeirr- und unauf­haltbar. 

Kurz vor der Pause erzielte er ein Tor selbst, aus vollem Lauf und mit voller Kon­trolle, nach der Pause lei­tetet er erst den 2:1‑Führungstreffer ein (wobei ein­leiten eine unver­schämte Unter­trei­bung ist, siehe Video), um dann, wenige Minuten später, eine der her­aus­ra­genden Arsenal-Kom­bi­na­tion des ver­gan­genen Jahr­zehnts (von denen es trotz des sport­li­chen Nie­der­gangs einige gab) zu initi­ieren und am Ende das Tor mit dem Außen­rist auf­zu­legen. Danach freute er sich wie ein kleiner Junge, zusammen mit seinen Team­kol­legen, die Welt sah einen glück­li­chen Mesut Özil. Am Abend des 22.10.2018, so schien es, war der Fuß­baller zurück, der die Welt einst ver­zau­bert hatte mit seinem Spiel.

Özil sollte das Gesicht der Post-Wenger-Ära werden

Die Monate zuvor waren eine Kata­strophe gewesen, von ihm und für ihn. Erst das Bild mit dem nicht nur in Deutsch­land umstrit­tenen, auto­ri­tären tür­ki­schen Prä­si­denten Recep Tayyip Erdogan, dann die ver­patzte öffent­liche Aus­ein­an­der­set­zung mit eben diesem Bild, die direkt um die so furchtbar kom­pli­zierten Themen Heimat und Iden­tität und Inte­gra­tion kreiste. Tage und Wochen, in denen nicht nur besonnen dis­ku­tiert wurde, son­dern in denen auch die Ras­sisten und Natio­na­listen aus ihren Löchern kro­chen. Dann die ver­patzte WM, noch mehr ras­sis­ti­scher Müll, noch mehr mieses Kri­sen­ma­nage­ment von allen Seiten. Und dann der Rück­tritt. Das Jahr 2018 – sport­lich und per­sön­lich war es ein Desaster für den begab­testen deut­schen Fuß­baller seiner Gene­ra­tion. Bis er Ende Oktober ein­fach machte, was er schon immer am besten konnte: fan­tas­tisch Fuß­ball spielen.

Doch danach wurde es nicht besser, im Gegen­teil, es ging nur noch weiter bergab. Zunächst spielte er unter Unai Emery, der den großen Arsène Wenger beerbt hatte, zwar noch eini­ger­maßen regel­mäßig, doch schon bald saß er häu­figer auf der Bank, als es ihm und den aller­meisten Arsenal-Anhän­gern lieb war. Eine skur­rile Situa­tion, weil seine Fähig­keiten zum einen nie wirk­lich in Frage standen und der Verein zum anderen erst Anfang 2018 seinen Ver­trag ver­län­gert und ihn zum best­be­zahlten Profi der Mann­schaft gemacht hatte, gar zu einem der am besten bezahlten Spieler der Welt. Özil sollte das Gesicht der Post-Wenger-Ära werden. Statt­dessen blickte er so traurig und leer drein, wie er das schon immer getan hatte, nur mit dem Unter­schied, dass er es auf der Bank tat und nicht mehr mit seinen Füßen zeigen konnte, wie viel Spaß ihm dieser Job eigent­lich macht.

Als der Druck für Emery immer größer und dieser schließ­lich Ende 2019 ent­lassen wurde, keimte noch einmal Hoff­nung auf. Mit Özil und Mikel Arteta, seinem alten Mit­spieler, müsste es doch eigent­lich funk­tio­nieren. Es funk­tio­nierte nicht. Auf das Lei­cester-Spiel im Oktober 2018 folgten bis zum März 2020 nur acht Tor­be­tei­li­gungen in 48 Spielen. Eine für Özil, der zuvor in 604 Ein­sätzen für Schalke, Werder, Real, Arsenal und die Natio­nal­mann­schaft 369 Tore geschossen oder vor­be­reitet hatte, gera­dezu lächer­liche Quote. Ab März igno­rierte Arteta den Spiel­ma­cher voll­ständig. Es gibt ein Video, es zeigt Mesut Özil zu Beginn seiner Arsenal-Jahre nach einem FA-Cup-Sieg, wie er glück­lich in die Kamera brüllt: Ja, Gun­ners, Ja!“ In diesem Jahr wirkte die Bezie­hung zwi­schen Özil und Arsenal wie ein ein­ziges, ver­kan­tetes Nein, Gun­ners, Nein“. Es gab schlichtweg keine Ja-Worte mehr. Bis sich beide Par­teien am Wochen­ende auf die Ver­trags­auf­lö­sung einigten. Die Fragen, über die sich Fans und Experten auf aller Welt mona­te­lang die Köpfe zer­bro­chen hatten, wurden dabei nicht beant­wortet: Kann der zuletzt ja wirk­lich phleg­ma­tisch, satt und antriebslos wir­kende Fuß­baller Özil einer Pre­mier-League-Mann­schaft mit seinen 32 Jahren tat­säch­lich nicht mehr helfen? Oder hatte selbst Artetas Ent­schei­dung am Ende eine poli­ti­sche Dimen­sion? Durfte Özil nicht mehr spielen, weil er sich im Dezember 2019 öffent­lich mit China ange­legt hatte?

Wie so oft in seiner Kar­riere gibt Özil auch jetzt, da er die ganz große Bühne ver­lässt, Rätsel auf. Man würde ihn gerne mal völlig unbe­fangen und naiv fragen, was er bei allem, was in den ver­gan­genen Jahren pas­siert ist, eigent­lich wirk­lich denkt und fühlt und ob sich das nicht gra­vie­rend von dem unter­scheidet, was er via Insta­gram-Share­pics von Agen­turen und Bera­tern ver­lauten lässt. Aber viel­leicht weiß er das alles ja selber auch gar nicht so genau.

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